6 - Die Hanse im ersten Globalisierungszeitalter (1200-1500) [ID:565]
50 von 592 angezeigt

Angesichts meines fortgeschrittenen Alters erlaube ich mir über Sklerose zu reden.

Und wir fangen medias in res an. 1437 einigen sich England und die Hansestädte über einen neuen Vertrag.

Das ist auf der einen Seite für die Hansen sehr günstig, weil sie neue Rechte bekommen, aber wie sich herausstellt, gerade für die Preussen gibt es neue Gefahren.

Aus der preußischen Perspektive bringt dieser Vertrag ganz und gar nichts.

Denn, wie man hier an der Grafik sieht, wir haben in den beiden ersten Jahren eine hansische Handelsblockade, also der Handel mit England ist verboten

und es wird freigegeben zum 22. März 1437, also mitten im dritten Jahr, und es gibt in der Tat eine Handelsexplosion.

Unten sieht man die hansischen Umsätze, oben sieht man in der linken Grafik die einheimischen Umsätze.

Rechter Hand ist das, worauf es ankommt. Die schwarze Kurve zeigt uns den Gesamtumsatz der Hefen, mit denen die Preußen handeln,

und umgekehrt die Hefen, die mit Preußen handeln. Der Handel verdoppelt sich von ungefähr 9000 Pfund im Jahr auf mehr als 20.000.

Aber, was man schlecht sehen kann, weil ich die Grafik miserabel gemacht habe, der hansische Anteil daran liegt 1436,

1436, 1437, ungefähr bei 20% im nächsten Jahr, sagt es um die Hälfte ab. Also, die haben gar nichts vom Vertrag.

Der Handel boomt und die Preußen haben ganz und gar nichts davon. Und die Folge ist, dass die preußischen Städte

allen voran dann sich gegen diesen Vertrag stehlen. Und sie zeigen Mängel am Vertrag auf gegenüber dem Hochmeister

in der Hoffnung, die ja letzten Endes in Erfüllung gegangen ist, dass der Hochmeister den Vertrag nicht ratifiziert,

womit die Gefahr für die preußische Wirtschaft abgewehrt wäre. In § 2 zum Beispiel wird den Engländern das Recht eingeräumt,

dass sie sich in Preußen dauerhaft aufhalten dürfen. Das Zitat spare ich ihnen. Das Wesentliche ist, dass die preußischen Städte behaupten,

wenn das durchgeht, dann wird Preußen eine englische Kolonie wie Bordeaux oder Gasconia oder sowas. Die malen wirklich den Teufel an die Wand.

Ebenfalls in § 2 wurde den Engländern das Recht gegeben, frei mit allen zu handeln. Das ist natürlich nur kulmerhandfest.

Das darf jeder auf dem Jahrmarkt. Jetzt dürfen plötzlich die Ausländer. Die Engländer dürfen mit jedem Freihandel,

insbesondere mit Russen, mit Polen, mit allen anderen Ausländern. Befürchtung, wenn das durchgeht, ist die Stadt Danzig und das Land Preußen ruiniert.

Die Engländer haben so viel Geld und so viele Güter, dass sie den ganzen Handel an sich ziehen. Die Folge ist, wenn das durchgeht,

haben die Danziger nichts zu beißen. Die Bürgernahrung, wie es heißt, ist damit weg. Nun, wie erwähnt, die preußischen Städte malen

dem Hochmeister, dem Teufel an die Wand. Aber diese Befürchtungen, die sie äußern, sind Ausdruck einer tieferen Angst.

Und diese Angst kann man in einem Satz zusammenfassen, im freien Spiel der Kräfte. Wenn die Engländer machen können, was sie wollen,

können wir nicht konkurrieren. Wir müssen notwendigerweise untergehen.

Ein paar Jahre später gibt es in einer späteren Verhandlungsrunde sogar die offizielle Beschwerde von Seiten der Preußen,

dass sie nicht einmal bei den Damen der Straße im horizontalen Gewerbe eine Chance haben, weil die Engländer ihren weiblichen Freundinnen

besser bekleiden als hochverehrte Damen der Danziger Bürgerwelt. Das ist natürlich erstmal eine Störung der göttlichen Ordnung

und natürlich Anlass für einen kleinen Neidanfall. Also die losen Weiber, das sind natürlich diejenigen, die gegen Bezahlung

gewisse Tätigkeiten ausüben, die gehen besser gekleidet herum dank der englischen Geschenke als eine ehrbare Frau in der Stadt Danzig.

Also, Dollinger sieht sich diese ganzen Dinge an und kommt zu einer allgemeinen Diagnose der Hanse. Und zwar sieht er ein ein wesentliches

Grundproblem, nämlich, dass die Hansen kein Vertrauen in ihre eigene Stärke haben. Und sie haben demnach Angst vor der offenen

Konkurrenz, sei es mit den Engländern, sei es mit den Holländern, sei es mit den Nürnbergern. Und diese Ängste werden geschürt

und dann verstärkt durch das scheinbare rasche Vorankommen dieser Konkurrenten in der hansischen Welt. Die Hanse-Welt sieht sich

sozusagen unmittelbar vor eine Invasion fremder Händler. Wenn aber die Hanse für die Chancengleichheit aller hansischen Kaufleute

sorgen will, dann gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich staatliche oder quasi staatliche Reglementierung des Handels, um die Ausländer

fernzuhalten. Die Folge nach Dollinger war die antiliberale Hansen. Und er zieht und begründet das, im Grunde genommen mit drei

Gruppen von Maßnahmen, die eine Gesamttendenz aufweisen. Zum einen die Beschränkung des Privilegiengenusses auf die Hanse-Kaufleute im

Ausland. Zweitens das sogenannte Gästerecht und drittens die Stärkung des Brügerstapels. Und alle drei haben die Tendenz oder haben die

Absicht nach Dollinger die fremdländische, die budenländische Konkurrenz fernzuhalten, damit die Hansen-Chancengleichheit auf ihren eigenen

Märkten genießen. Also Beschränkung des Privilegiengenusses im Ausland zielt daraus die sogenannten budenhansischen Kaufleute, also

die Kaufleute, die nicht zur Hanse gehören und ihr Kapital fernzuhalten. Und es gibt sonderbare Aussagen, um das zu begründen. Zum

Beispiel das Kreditverbot begründet Dollinger rückblickend mit dem folgenden Ziel, der Ausschluss der Fremden von der Beteiligung an

Hanse-Geschäften und die Sicherung des ausschließlichen Privilegiengenusses für die Hanse-Kaufleute. Ich vermag nicht den Zusammenhang zu

erkennen, wieso ein Verbot von Kreditgeschäften in Flandern in irgendeiner Art und Weise die fremden Kaufleute tangieren sollte oder ihr

Kapital fernhalten sollte oder aber irgendwie den Genuss der Privilegien für die Hanse sichern sollte. Es ist mir rätselhafter, aber es ist die

Behauptung. Zweitens das Gästerecht. Das ist ein Sammelbegriff für alle rechtlichen Regelungen der Tätigkeit ausländischer oder

auswärtiger Kaufleute in einer bestimmten Stadt. Ob sie dieses machen oder jenes machen, das gehört alles zum Gästerecht. Ziel davon ist, dass

dieses Gästerecht zum Nachteil der ausländischen Konkurrenz gestaltet wird mit der Folge, dass sie effektiv aus dem Handel mit dem

Hanse-Gebiet und so weiter ferngehalten werden. Zum dritten wird der Brüggerstapel, so Dollinger, wieder mal, wir sagen nur erstmal, was

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:27:48 Min

Aufnahmedatum

2009-11-27

Hochgeladen am

2017-07-20 15:45:30

Sprache

de-DE

Tags

Hanse Globalisierungszeitalter Globalisierung
Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen